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Prüft alles und behaltet das Gute

Gedanken zur Jahreslosung 2025 (1.Thess 5,21)
von Pfarrerin Sybille Noack-Mündemann

Wie prüfen wir, was an Gesetzen, Regeln, Entscheidungen, Ethiken usw. auf uns zukommt? Wer oder was ist der Maßstab dafür, ob eine Entscheidung richtig ist? Alles ist möglich – und vieles ist davon auch gut. Aber gilt das für immer?

Die politischen Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit haben zu Entscheidungen geführt, von denen wir in den 80er Jahren gesagt haben, dass sie sicher nicht „gut“ sind. Damals haben wir für Abrüstung gekämpft und waren glücklich, als die Atomsprengköpfe zurückgebaut wurden. Heute sprechen diejenigen, die damals gegen Aufrüstung kämpften, von der Notwendigkeit eines wehrhaften Militärs. Wer hatte oder hat nun recht? Es ist oft schwierig, eindeutige Antworten zu finden. Das „Gute“ und „Richtige“ springt eben nicht immer unmittelbar ins Auge.

„Prüft alles…“ – Der Apostel Paulus ermutigt dazu, die Dinge in den Blick zu nehmen, vielleicht auch auszuprobieren und dann eigenständig zu entscheiden, was langfristig taugt – und zwar für das Allgemeinwohl. Denn es geht nicht nur um das Beste für den Einzelnen. Das macht Entscheidungen nicht leichter. Vermutlich wissen wir es alle: Was dem Allgemeinwohl dient, muss nicht immer unmittelbar auch mir selbst nützten.

Ein schönes Beispiel dafür sind die Diskussionen über die Kirchensteuer. Sie kann für Einzelne durchaus ein schmerzhafter Einschnitt sein. Vielleicht spricht einen Menschen tatsächlich in der Kirche nichts unmittelbar an. Da liegt der Austritt nah.

Aber für unsere Gesellschaft hat das auf Dauer schwere Konsequenzen. Denn die Kirchen sichern eine Menge von sozialen Netzwerken und Unterstützung, von der viele Menschen profitieren und die den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Damit meine ich nicht nur Einrichtungen wie Krankenhäuser, Kitas, Obdachlosenhilfe etc. Damit meine ich auch die unendlich vielen Angebote vor Ort und die ehrenamtlich Mitarbeitenden, die Menschen besuchen, sie unterstützen und unbürokratisch Hilfe leisten – durch Kleiderkammern, Kinder- und Jugendangebote, Seniorenarbeit und vieles mehr.

Ohne finanzielle Mittel, die unter anderem durch die Kirchensteuer bereitgestellt werden, ist dieses Engagement schwierig aufrechtzuerhalten. Auch wenn viele Menschen anpacken, ohne dafür entlohnt zu werden, braucht diese Arbeit Orte und hauptamtliche Mitarbeitende, die koordinieren, vernetzen, Mittel bereitstellen und Seelsorge betreiben.

Für Paulus ist der Maßstab des Guten das Wort Gottes und das Leben Christi.

Jesu Haltung zu Frieden, Gerechtigkeit, zu Toleranz und Freiheit, zu Liebe und Mitmenschlichkeit sind seine Leuchtmarker. Anstrengend? – Ja! Wir haben eine anstrengende Religion. Sie erwartet viel von uns, wir müssen ständig die uralten Sätze der Bibel in unsere Zeit übersetzen. Sie hält keine einfachen Lösungen bereit.

Aber was wäre die Alternative? – Die Prüfung der Möglichkeiten anderen zu überlassen und einfach blind zu folgen? Wir können im Moment gut sehen, wohin das führt. Wo wollen wir nächstes Jahr stehen? Oder besser gefragt – welche Gesellschaft wollen wir unseren Nachfahren hinterlassen?

Christus steht da, wo Menschen ohne Lobby sind, wo Trauer, Ausbeutung und Unfreiheit herrschen. Er sitzt in den Booten der Geflüchteten, spielt mit den Kindern im Lager Fußball, demonstriert für Freiheit und Vielfalt, tröstet die Weinenden und ist das unauslöschbare Licht in der Dunkelheit. Christus steht aber auch an der Seite derer, die Fehler machen, die falsche Wege gehen. All das hilft mir in meinem Tun und Handeln, denn selbst, wenn ich noch so gut prüfe, es gibt immer auch Fehlentscheidungen oder die Wahl zwischen zwei Übeln, die vielleicht Schlimmeres verhindert, mich aber doch schuldig werden lässt.

„Prüft alles und behaltet das Gute“ – eine Richtschnur für das neue Jahr!

Sybille Noack-Mündemann